Freitag, 27. November 2015
Mein Weg zur Meditation
Zen-Meditiation – wie kommt man dazu? Mein Weg war etwas ungewöhnlich. Er begann schon früh, als ich als Student in der Katholischen Akademie in München einen Vortrag des Jesuiten Hugo Enomiya Lasalle besuchte. Pater Lasalle hatte in Japan bei Zen-Meistern Meditation studiert und wurde dann zu einem ihrer wichtigsten Wegbereiter in Europa – so etwas gab es vorher bei uns gar nicht. Ich erinnere mich noch, wie der damals über 80-jährige, von der Hiroshima-Atombombe schwer geschädigte Pater nach einem kurzen Vortrag schwungvoll auf den Vortragstisch sprang, sich im Lotussitz hinhockte – und jetzt hieß es: Wir meditieren! Das versuchten wir, so gut es ging, auf unseren Stühlen.
Für mich war das der erste Anstoß. Freilich geriet mir die Sache immer wieder längere Zeit in Vergessenheit. Doch dann entschloss ich mich zu einem Meditationsseminar in Dietfurt an der Altmühl, wo die Franziskaner in ihrem Kloster ein spirituelles Zentrum gegründet hatten. Wieder begegnete ich dort Pater Lasalle als Zen-Lehrer und war von seiner warmherzigen, schlichten Persönlichkeit sehr beeindruckt. Seitdem bin ich öfter in Dietfurt gewesen, zu eintägigen oder auch mehrtägigen Kursen.
Und dann stieß ich – für mich bequem in der Nähe meines Wohnorts – auf das Kloster St. Ottilien. Das Kloster unterhält schon länger Beziehungen zu buddhistischen Zen-Klöstern und engagiert sich im interreligiösen Dialog. Jeden Donnerstag Abend lädt dort Pater Augustinus Pham zu einer zweistündigen Meditation in das Exerzitienhaus ein, und ich bin immer wieder einmal dabei, sowie es meine Zeit zulässt.
Christliche Meditation im Stile des Zen nennt sich diese Übung, und das heißt: Kern ist die Sitzmeditation, das sogenannte Zazen. Das ist, äußerlich gesehen, eine ganz schlichte Sache: Du sitzt einfach, vorzugsweise auf einem Kissen oder einem Meditationsbänkchen; ich muss, weil es meine Knie nicht mehr anders wollen, auf einem Hocker sitzen. Du sitzt also und versuchst, innerlich still zu werden. Ist das nicht schrecklich langweilig, werde ich manchmal gefragt. Doch nein, auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht, Langeweile kommt überhaupt nicht auf. Du lässt die Gedanken kommen und wieder ziehen. Du wirst immer ruhiger und wartest, was in der Meditation auf dich zukommt. Alles muss dir zukommen, aus Gnade, wie der Christ sagt – du musst es nur kommen lassen und ihm in der Stille Raum geben. So sahen das auch die Mystiker:
Ich will sitzen
und schweigen
und hören,
was Gott in mir rede. (Meister Eckhart)
Und so sitzen wir denn an den Donnerstagen in St. Ottilien. Dabei lösen wir uns zunächst aus dem Alltag und seinen verwirrenden Gedanken in einer Entspannung mit Klangmeditation. Nach einem anschließenden kurzen Vortrag folgen Leibesübungen auf der Basis von Yoga und Qigong – denn Meditation ist ganzheitlich, eine Sache für den ganzen Menschen, nicht nur den Kopf, sondern auch den Körper. Am Ende dann die Sitzmeditation : zweimal 25 Minuten Sitzen in völliger Stille. Und dann hörst du gelegentlich das Läuten der Glocken von der Klosterkirche her – und im Frühling bei offenem Fenster auch das Gezwitscher der Vögel. Aber sonst ist es vollkommen still. Du bist mit dir allein, du tust nichts, denkst nichts – du sitzt nur und horchst und wartest ohne Erwartung. Wenn es dir recht gelingt, bist du – mit einem Wort – gelassen. Gelassenheit ist das Geheimnis der Meditation. Noch einmal Meister Eckhart: Wer sich auch nur einen Augenblick ganz lassen könnte, dem würde alles gegeben. Gelassenheit ist auch die Wurzel des Friedens, des Friedens in dir selbst und des Friedens, den du an andere und in die Welt weitergibst.
Und dann stehst du wieder auf und fährst heim und hast manchmal das Gefühl: Irgendetwas ist doch wieder anders geworden in dir.
Werner Reiland
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